Einleitung
Kennt ihr das Kinderlied „ich schaff das schon!“? Es stammt von Rolf Zuckowski und ist ein absolutes Mutmachlied.
Das Lied führt uns durch das Leben von Meike. Als sie 1 Jahr alt war, lernte sie laufen und fiel manchmal hin. Dann in der Schule hatte sie im Sport Angst vor dem Barren. Mit 17 hatte sie Liebenskummer und später hatte sie selbst ein Kind in einer kleinen, aber kuscheligen Wohnung. In schwierigen Situationen verlor Meike nie den Mut. Sie sagte sich immer:
„Ich schaff das schon, ich schaff das schon, ich schaff das ganz alleine. Ich komm bestimmt, ich komm bestimmt auch wieder auf die Beine. Ich brauch dazu, ich brauch dazu vielleicht ‘ne Menge Kraft. Doch ich hab immerhin, schon was anderes geschafft“.
Ich liebe dieses Lied. Als ich kürzlich ein Kinderbuch schrieb, habe ich es Rolf Zuckowski gewidmet, um mich bei ihm für dieses wunderschöne Kinderlied zu bedanken.
Mein Kinderbuch heißt „Marie und das Geld“. Unter dem Punkt Veröffentlichungen oben auf der Webseite kannst du mehr über das Buch erfahren.
In diesem Artikel möchte ich euch aus dem Kinderbuch die Kapitel über die Geschäftsfähigkeit und den Taschengeldparagrafen aufbereiten. Es geht also dieses Mal vorrangig um das Recht. Die besprochenen Paragrafen findet ihr alle im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Im BGB stehen die Regeln, die zwischen den Bürgern in Deutschland gelten.
Wir wollen folgenden Fragen nachgehen: Was bedeutet Geschäftsfähigkeit? Können Kinder und Jugendliche in jedem Alter Geschäfte abschließen? Welche Regelung beinhaltet der Taschengeldparagraf?
Was bedeutet Geschäftsfähigkeit?
Die Geschäftsfähigkeit darf nicht mit der Rechtsfähigkeit verwechselt werden. Rechtsfähig ist man nach § 1 BGB mit Vollendung der Geburt. Ab dann darf man schon Rechte und Pflichten haben. Ein gerade geborenes Kind kann z.B. erben.
Bei der Geschäftsfähigkeit geht es darum, ab wann man im Geschäftsleben eigenständig und wirksam handeln kann. Ab wann können Kinder und Jugendliche Verträge abschließen? Welche Rolle spielen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten? Können Kinder in jedem Alter allein ein Eis kaufen?
Da ich euch aus meinem Kinderbuch für diesen Artikel das Bild ausgesucht habe, auf dem die 7-jährige Marie eigenständig ein Eis kauft und bezahlt, ahnt ihr vielleicht schon, dass es im BGB verschiedene Altersstufen für die Geschäftsfähigkeit gibt.
Das Recht ist natürlich in allen Ländern anders. In Deutschland gibt es drei Altersstufen, die besagen, ob und wie geschäftsfähig man ist: Voll geschäftsfähig, geschäftsunfähig und beschränkt geschäftsfähig.
Volle Geschäftsfähigkeit ab 18 Jahren
Die Geschäftsfähigkeit beschreibt die rechtliche Fähigkeit einer Person, selbstständig und mit rechtlicher Wirkung (= wirksam) Vereinbarungen abzuschließen, z.B. einen Kaufvertrag.
Wenn man 18 Jahre alt ist, ist man nach § 2 BGB volljährig und damit voll geschäftsfähig.
Wenn man voll geschäftsfähig ist, kann man alles allein ohne die Eltern oder sonstigen gesetzlichen Vertreter machen. Man ist dann aber auch für alles, was man macht, voll verantwortlich.
Geschäftsunfähigkeit bis 7 Jahre
Wer nicht volljährig ist, ist minderjährig. Bei den Minderjährigen gibt es zwei Altersstufen. Kinder bis zu 7 Jahren und Kinder ab 7 Jahre.
Kinder bis zu 7 Jahren sind nach § 104 BGB geschäftsunfähig.
Was bedeutet das? Bei Kindern unter 7 Jahren müssen immer die Eltern die geschäftlichen Sachen regeln.
Die Eltern schließen für Kinder unter 7 Jahren also alle Verträge ab. Wenn jemand z.B. erst 2 Jahre alt ist, müssen die Eltern das Eis für das Kind kaufen. Das ist auch verständlich. Denn wenn man noch so klein ist, versteht man noch nicht alles, was man macht. Wenn man ein Eis kauft, möchte man ein Eis. Aber man versteht noch nicht, dass man im Austausch dafür dem Eisverkäufer einen Kaufpreis zahlen muss. Deshalb ist man nicht geschäftsfähig oder geschäftsunfähig. Die Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigten müssen für unter 7-jährige handeln.
Wenn Kinder unter 7 Jahren Verträge abschließen, sind diese nach § 105 BGB nichtig. Nichtig heißt, dass die Geschäfte keine rechtliche Wirkung haben. Selbst wenn der Eisverkäufer dem Kind die Kugel Eis gegeben hätte, dürfte er von dem Kind den Kaufpreis dafür nicht verlangen. Der Eisverkäufer könnte sein Geld für das Eis selbst dann nicht verlangen, wenn das Kind das Eis bereits aufgegessen hätte. Denn Kinder unter 7 Jahren sind geschäftsunfähig.
Kinder unter 7 Jahren brauchen für alle Verträge und sonstige Rechtsgeschäfte immer ihre Eltern oder sonstigen gesetzlichen Vertreter.
Beschränkte Geschäftsfähigkeit zwischen 7 und 18 Jahren
Kinder, die 7 Jahre alt sind, sind nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig.
Was bedeutet das?
Beschränkt geschäftsfähig bedeutet, dass Kinder ab 7 Jahren manche, aber noch nicht alle Sachen allein machen dürfen. Bei ihrer Geschäftsfähigkeit gibt es Schranken.
Geschenke dürfen sie allein annehmen. Wenn ihre Tante ihnen 5 Euro zum Geburtstag schenkt, dürfen sie das Geld in ihre Geldbörse stecken. Denn sie nehmen das Geschenk nur an und haben keine Verpflichtungen deshalb gegenüber ihrer Tante. Wenn Kinder ab 7 Jahren nach dem Gesetz keine Verpflichtung haben, sondern nur einen rechtlichen Vorteil erlangen, dürfen sie allein handeln. Das ergibt sich aus § 107 BGB. Für solche Rechtsgeschäfte brauchen sie nicht die Einwilligung ihrer Eltern.
Manche Geschäfte dürfen sie sogar dann allein abschließen, wenn es Verpflichtungen gibt. Das sind nach § 110 BGB solche Geschäfte, die sie von ihrem Taschengeld bezahlen können. Im Gesetz ist allerdings nicht vom Taschengeld die Rede, sondern von Mitteln, welche die gesetzlichen Vertreter dem Minderjährigen zur freien Verfügung überlassen haben. Damit ist das Taschengeld gemeint. Der § 110 BGB heißt deshalb Taschengeldparagraf.
Was über 7-jährige Kinder nicht mit ihrem Taschengeld bezahlen können, bedarf nach wie vor der Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung, ihrer Eltern. Fehlt diese Einwilligung, hängt die Wirksamkeit des Geschäfts nach § 108 BGB von der Genehmigung, also nachträglichen Zustimmung, der Eltern ab.
Aber wie kann ein Verkäufer wissen, was ein Kind als Taschengeld erhält? Man vergleicht da, was die meisten Kinder mit 7 Jahren an Taschengeld von ihren Eltern bekommen bzw. bekommen sollten. Da gibt es Übersichten. Nach dem folgenden Link
https://www.jugendaemter.com/wie-wichtig-ist-taschengeld-fuer-kinder/
sollten 7-jährige z.B. 4 bis 8 Euro im Monat bekommen. Nach diesem Link
https://www.taschengeldtabelle.org/
sind es 2 bis 3 Euro pro Woche. Das wären im Monat dann 8 bis 12 Euro.
Eine Kugel Eis kostet heute meist 1,50 Euro. Nach beiden Links dürften daher 7-jährige Kinder eine Kugel Eis allein kaufen. Denn sie könnten ihre Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises aus ihrem Taschengeld bewirken.
Selbst wenn ihre Eltern meinen, Eis habe zu viel Zucker und ihren Kindern gesagt haben, sie sollten nur einmal in der Woche eine Kugel Eis kaufen, die Kinder kauften es aber zweimal, weil es so warm war, ist der Kaufvertrag mit dem Eisverkäufer gültig. Denn der durfte nach § 110 BGB davon ausgehen, dass die Kinder das Eis kaufen durften. Sie konnten eine Kugel Eis aus ihrem Taschengeld bezahlen.
Für die Einkäufe, die Kinder ab 7 Jahren aber nicht von ihrem Taschengeld bezahlen können, brauchen sie nach wie vor ihre Eltern. Das ist die Schranke bei ihrer Geschäftsfähigkeit. Die Kinder könnten also kein Fahrrad allein kaufen. Das können sie nicht von ihrem Taschengeld bezahlen. Ein Fahrrad ist teurer als das normale Taschengeld von 7-jährigen Kindern.
Um alles ohne jede rechtliche Schranke erledigen zu dürfen, müssen junge Leute voll geschäftsfähig, also 18 Jahre alt, sein. Da reicht die beschränkte Geschäftsfähigkeit nicht aus.
Schlussbemerkung
Ich habe in diesem Artikel über die Geschäftsfähigkeit geschrieben, weil auch über das Recht häufig ein Grundwissen fehlt. Aus meiner Sicht besteht auch zum Recht in den Schulen ein Nachholbedarf.
In meinem Kinderbuch „Marie und das Geld“ gibt es Fragen und Antworten zu den einzelnen Themen. Zur Geschäftsfähigkeit steht da:
Übung und Frage 19:
Suche § 2 BGB im Internet. Was steht dort?
Antwort zu Frage 19:
Ja, dort steht: „Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein“
Frage 20:
Woher weiß man nun, dass Volljährige voll geschäftsfähig sind? Das steht dort doch nicht.
Antwort zu Frage 20:
Ja, auch richtig. Das steht dort nicht, aber das haben Juristen durch einen Vergleich der Paragrafen zur Geschäftsfähigkeit so interpretiert.
Sie sagen:
Die Geschäftsfähigkeit ist im BGB mit dem Alter verknüpft. Unter 7 Jahren ist man geschäftsunfähig. Ab 7 Jahren ist man beschränkt geschäftsfähig. Wenn man mit 18 Jahren volljährig ist, kann das dann nur bedeuten, dass man mit 18 Jahren auch voll geschäftsfähig ist.
Das ist ein Beispiel dafür, dass du dich nicht sorgen musst, wenn du nicht alle Paragrafen, die du liest, auch immer verstehst. Unsere Volksvertreter haben die Gesetze nicht so geschrieben, dass alle Regeln vollständig und verständlich sind. Deshalb gibt es die Juristen. Sie studieren das Recht und versuchen dann die Lücken durch ihre Auslegung der Regeln zu schließen.
Aus den Fragen und den Antworten wird deutlich, warum auch ein Grundwissen über Recht wichtig ist. Die Gesetze sind manchmal so unvollständig und unverständlich, dass normale Leute sie nicht verstehen können. Aber genau wie bei finanziellen Dingen braucht auch jeder ein Grundwissen über Recht, um im Leben einen Überblick zu haben und gut voranzukommen. Sonst stolpert man ständig und weiß noch nicht einmal, was man seinem Rechtsanwalt sagen soll, wenn es ernst wird. Ich habe einmal gelesen, dass sich 90% der Jugendlichen wünschen, dass Geld und Finanzen ein Schulfach werden. Für Recht gilt das vermutlich auch. Vielleicht könnte man ja flächendeckend ein Schulfach Recht und Geld einführen. Natürlich gibt es bereits gute Ansätze, aber die reichen nach meiner Ansicht nicht aus.